PC-gestütztes Kassensystem ist grundsätzlich manipulationsanfällig

PC-gestütztes Kassensystem ist grundsätzlich manipulationsanfällig

Das FG Münster hat sich mit der Frage beschäftigt, unter welchen Voraussetzungen ein PC-gestütztes Kassensystem ausnahmsweise als nicht manipulierbar angesehen werden kann.

Im entschiedenen Fall kamen die Richter jedenfalls bei einem auf der Software Microsoft Access basierenden System zu dem Schluss, dass es manipulationsanfällig ist.

Das war die Vorgeschichte

Ein selbstständiger Friseur betrieb zwei Friseursalons. Seine Bareinnahmen erfasste er über eine PC-gestützte Kassensoftware, die auch über andere Funktionen wie Kundenkartei oder Terminverwaltung verfügte. Aufgrund einer Betriebsprüfung, in deren Verlauf der Friseur keine Programmierprotokolle für die Kasse vorgelegt hatte, nahm das Finanzamt erhebliche Hinzuschätzungen zu den Umsätzen und Gewinnen für die Jahre 2007 bis 2009 vor. Diesen legte es eine Bargeldverkehrsrechnung sowie eine Kalkulation von „Chemieumsätze“ (Blondierungen, Färbungen, Dauerwellen) zugrunde. Die Kalkulation basiert auf der Auswertung eines Teils des Wareneinkaufs für 2007.

Hiergegen wandte der Friseur ein, dass seine Programmierprotokolle in Dateiform im System gespeichert seien, was er durch Vorlage der Datenbank nachweisen könne. Ferner sei seine Kasse nicht manipulierbar, weshalb nach der BFH-Rechtsprechung keine Schätzungsbefugnis bestehe (konkret bezog er sich auf das Urteil vom 25.3.2015, Az. X R 20/13, Tz. 28). Zudem habe er tatsächlich auch keine Manipulationen vorgenommen. Und außerdem seien die Hinzuschätzungen zu hoch, da die Bargeldverkehrsrechnung unvollständig sei, die Nachkalkulation nur auf stichprobenartig ausgewerteten Daten basiere und das Ergebnis die amtlichen Richtsätze überschreite.

Das sagte ein Sachverständiger zum Kassensystem

Das Gericht holte ein Sachverständigengutachten zur Frage der Manipulierbarkeit der Kasse ein. Der Gutachter kam zu dem Ergebnis, dass das von dem hier betroffenen Selbstständigen verwendete System, welches auf die Software Microsoft Access zurückgreife, aufgrund der Verknüpfung verschiedener Datenbankdateien zwar nur schwierig zu manipulieren sei. Aber: Durch geschulte Personen mit EDV-Kenntnissen bzw. unter Einsatz entsprechender Programme sei dies auch im Nachhinein und ohne Rückverfolgung möglich.

Das FG Münster gab daraufhin der Klage teilweise statt und erklärte, dem Grunde nach bestehe eine Schätzungsbefugnis, weil die Kassenführung des Friseurs nicht ordnungsgemäß sei. Bei Nutzung programmierbarer elektronischer Kassensysteme stelle das Fehlen der Programmierprotokolle jedenfalls bei bargeldintensiven Betrieben einen gewichtigen formellen Mangel dar. Im Streitfall habe der Selbstständige keine Programmierprotokolle vorgelegt. Der bloße Hinweis auf die Datenbank genüge als substantiierter Beweisantritt nicht. Im Übrigen gehe es bei den Programmierprotokollen nicht um die Daten selbst, sondern um die Dokumentation der Programmierung.

Es muss nicht manipuliert werden – allein die Möglichkeit reicht

Der Friseur könne sich auch nicht darauf berufen, dass sein Kassensystem ausnahmsweise keine Manipulationsmöglichkeiten eröffnet. Nach dem Ergebnis des Sachverständigengutachtens sei der entscheidende Senat vielmehr davon überzeugt, dass im System Manipulationen vorgenommen werden können. Dabei komme es nicht darauf an, durch wen oder mit welchem Aufwand dies möglich sei. Die hier verwendete Software biete unabhängig davon, ob sie bereits für einen „normalen“ Anwender manipulierbar sei oder dieser erst einen IT-Spezialisten beauftragen müsse, keine Gewährleistung für die vollständige Erfassung aller Einnahmen. Da es nach der BFH-Rechtsprechung erforderlich sei, dass die Kasse keine Manipulationsmöglichkeiten eröffne, sei es unerheblich, ob der Kläger tatsächlich Manipulationen vorgenommen habe oder nicht.

Hinzuschätzungen wurden nach unten korrigiert

Der Höhe nach begrenzte der Senat die Hinzuschätzungen aufgrund der Kassenführungsmängel allerdings auf Sicherheitszuschläge in Höhe von 7,5 % der erklärten Umsätze, was zu einer Reduzierung der vom Finanzamt angesetzten Beträge und damit zu einer Teilstattgabe in etwa hälftigem Umfang führte. Die Bargeldverkehrsrechnung könne nicht zugrunde gelegt werden, weil das Finanzamt weder Anfangs- noch Endbestände ermittelt und nicht angegeben habe, auf welcher Tatsachengrundlage die Lebenshaltungskosten ermittelt wurden. Die Kalkulation der „Chemieumsätze“ führe zu einem nicht schlüssigen und außerhalb der amtlichen Richtsätze liegenden Ergebnis, was möglicherweise auf der lediglich stichprobenartig vorgenommenen Auswertung beruhe (FG Münster, Urteil vom 29.03.2017, 7 K 3675/13).